Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Zauberer Michael

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„Zauberer müssen grandiose Selbstdarsteller sein“,  ist in einem Porträt der Ehrlich Brothers im stern zu lesen. Genau das ist bei Michael Schubert nicht der Fall. Denn der Hofer Kinderzauberer hat ein völlig anderes Ziel, als die große Bewunderung Erwachsener. Mit unseren Kleinsten kehrt der Magier während seiner Show in eine Welt zurück, die für viele von uns längst vergessen scheint. Und leistet dabei einen beachtlichen Spagat zwischen Realität und Fantasie.

„Wirkliche Zauberei gibt es nicht, das wisst Ihr ja. Wir spielen hier nur Zaubern. Wollt Ihr mitspielen?“ Mit diesen Worten beginnt Michael Schubert zumeist seine Show. Umso überraschender ist die Erzählung meines Sohnes, als er im März vom Kindergeburtstag seines besten Freundes zurückkehrt. „Mama und da war ein echter Zauberer!“, freut er sich während des Abendessens und betont dabei das „echter“ so glaubhaft, dass ich den Mann unbedingt kennenlernen will.

Sieben Wochen später sitzt der echte Zauberer auf meinem Sofa und trinkt einen Kaffee mit mir. Sofort kommen wir von einem Thema zum nächsten. Michael ist ein Mensch, mit dem man leicht ins Gespräch findet. Ein reflektierter Mann, Anfang 40, der sich für Gott und die Welt interessiert.  „Den Kaffee kann ich heute gut gebrauchen“, schmunzelt der dreifache Familienvater. „Gestern war ich den ganzen Tag unterwegs, um in Regensburg auf einem Schiff aufzutreten.“ Den Abend habe er anschließend bei einem Wein ausklingen lassen.

Bereits im Alter von 8 Jahren begann Michael mit dem klassischen ersten Zauberkasten. „Ich habe den damals unvollständig unter dem Bett von meinem Papa gefunden. Da konnte ich die Anleitungen gerade so lesen. “ Zu der Zeit hegte der Junge, der zum Teil noch in seiner eigenen Fantasiewelt lebte, die leise Hoffnung, es gäbe vielleicht doch so etwas, wie echte Zauberei. Luzie, der Schrecken der Straße, Wir Kinder aus Bullerbü, Momo, Pippi Langstrumpf oder Die unendliche Geschichte – all diese märchenhaften Filme und Sendungen bescherten dem Achtjährigen damals verträumte Stunden. „Was sich in den Geschichten oft wiederholt, ist die Magie, die im Alltag passiert. Meistens wird die aber nur von den Kindern gesehen. Die Erwachsenen glauben ihnen nicht oder schimpfen mit ihnen. Aber die Kinder interagieren mit der Magie. Sie glauben daran. Aus diesem Gefühl heraus habe ich all meine Shows aufgebaut“, schwärmt der Magier. Seit seinem 15. Lebensjahr tritt er bereits vor Publikum auf.

Michael wird in ganz Deutschland gebucht. Kindergeburtstage, Firmenfeiern, Stadtfeste – überall, wo man Spaß erwartet, ist der Zauberer gefragt. Dabei läuft alles über Mund-zu-Mund-Propaganda. Keine Werbung – nur persönliche Empfehlungen. „Wenn die Leute sehen, dass die Show gut ankommt und die Kinder sich freuen, ist das wesentlich mehr wert, als aufwendige Selbstdarstellung“, erklärt der selbstbewusste Mann und deutet damit einen Charakterzug an, der mir von Beginn an positiv an ihm auffällt. Während einige seiner Kollegen häufig große Egozentriker sind, handelt es sich bei dem Zauberer um einen Menschen, der ganz einfach noch die kindlichen Gefühle einer magischen Welt in sich trägt und diese dann auch rüberbringt. In einer Gesellschaft voller Rationalität, beneide ich den Mann um seine Gabe.

Die Aufregung, wenn Zauberer Michael bei einem Event ankommt, kann ich mir lebhaft vorstellen

Michael schätzt die Arbeit mit den Kleinsten, was in der Szene durchaus nicht üblich ist. „Viele Zauberer haben keine Lust, mit Kindern zu arbeiten. Weil sie aus deren Sicht schwierig sind. Sie sind noch spontan und sie sind vor allem ehrlich. Kinder spüren, ob du Lust auf die Show hast. Sie fühlen, ob du aufrichtig zu ihnen bist, oder ob du das gerade nur wegen der Kohle machst. Wenn sie glauben, sie haben einen Trick durchschaut, dann sagen sie dir das einfach sofort. Das schmeißt ja dann unter Umständen das ganze Konzept durcheinander. Aber ich liebe das, ich arbeite nur noch mit Kindern.“

Wie eingangs beschrieben, ist Michael stets so ehrlich wie möglich zu den kleinen Zuschauern. Umso mehr freut es ihn, als ich ihm von dem Eindruck erzähle, den er bei meinem Sohn hinterlassen hat. „Das ist immer wieder verrückt. In meiner Show gibt es zum Beispiel eine Bauchrednerpuppe. Ich bin kein perfekter Bauchredner – wenn man hinschaut, sieht man schon, dass ich meine Lippen bewege. Und trotzdem kommt es vor, dass ich nach der Show mitbekomme, wie Kinder ihren Eltern berichten ‚Du Mama, der hat einen echten Affen dabeigehabt! Der hat gesprochen! Und der hat rosa Fell angehabt!'“, berichtet er amüsiert.

Ob man denn von sowas leben könne, werde er oft gefragt, erzählt Michael. Und ich kann die Geringschätzung förmlich riechen, wenn ich mir vorstelle, wie dabei „von sowas“ betont wird. Aber Michael stört das nicht mehr. „Natürlich kann ich davon leben. Es ist ein dankbarer Job. Es gibt so viele Menschen in meinem Alter, die haben BWL studiert, wollten die steile Karriere und das große Geld machen. Und jetzt sind sie unzufrieden und wissen nichts mit sich anzufangen. Mich macht mein Job glücklich.“

Eine tragische Parallele zu den beliebten Ehrlich Brothers gibt es aber auch. Michaels Vater war nämlich jahrelang sein Teampartner und Manager. Bis er letztes Jahr verstarb. „Wir waren ein unschlagbares Team. Wir haben so viel zusammen gemacht, die Show besprochen, alle Tricks. Oft haben wir so sehr gelacht, gerade wegen der Kinder. Manchmal saß er da und musste sich vor Lachen eine Träne wegwischen“, schwärmt Michael. „Natürlich haben wir auch gestritten. Heftig gestritten – über die Details. Aber das gehört dazu, wenn man etwas mit Leidenschaft macht. Er konnte auch stur sein. Ich habe manchmal Phasen, da habe ich unglaublich viele neue Ideen. Und manche davon sind eben auch nicht gut. Da hat er mir ehrlich gesagt ‚Lass doch den Scheiß‘ „, erzählt Michael mit einer unglaublichen Wärme. „Wir haben dann immer einen guten Mittelweg gefunden.“  Michaels Vater brachte Ruhe, Gelassenheit und ein großes Kommunikationstalent in die Arbeit ein. „Er konnte stundenlang telefonieren. Einmal rief ein großes Einkaufcenter an. Mit der Chefin hat er dann eine dreiviertel Stunde lang über ihren Hund und den Garten und Kartoffeln gequatscht. Wenn ich ihn lachend gefragt habe, was er da eigentlich die ganze Zeit labert, meinte er nur ‚Ist doch egal. Wir haben den Auftrag.‘ “

Wenn Michael von seinem verstorbenen Vater spricht, ist keine Bitterkeit in seiner Stimme zu hören. Er erzählt so lebhaft von seinem Papa, dass man fast glaubt, er sei noch unter uns. Ob derTod überraschend kam, frage ich ihn. „Für die Ärzte nein, für mich ja“, antwortet er. „Aus medizinischer Sicht war es vorhersehbar, dass er nicht geheilt werden konnte. Aber mein Vater und ich haben fest daran geglaubt, dass es wieder werden würde. Bis zu den letzten fünf Tagen waren wir einfach überzeugt davon.“ Mir fallen wieder die Welten ein, zwischen denen der Zauberer täglich wandelt. Spielerische Illusion und knallhartes Geschäftsleben. Fantasie und Realität. Wunsch und Wirklichkeit. Ich frage mich, ob so ein einschneidendes Erlebnis die persönliche Gefühlswelt in gewisser Weise entzaubert. Aber wenn Michael von seinem Vater erzählt, fühlt es sich an, als wäre dieser im selben Raum. Und das ist wirklich schön.

Am Schluss unseres Treffens darf ich Michael noch kurz bei seiner Arbeit beobachten. Im Vorfeld habe ich ihn nämlich gebeten, einen seiner Lieblingstricks mitzubringen. Dementsprechend überrascht bin ich, als der Mann auf meinem Sofa einen riesigen Koffer voller Ballons öffnet. Ballons. Was soll denn daran schon besonders sein? Kennen wir doch. Ballons sind ganz nett, ja. Wie ich jedoch erleben darf, gibt es hier gravierende Unterschiede. Als Gruß an meine Kinder zaubert mir Michael zwei wunderschöne Kunstwerke in weniger als fünf Minuten. Eine Rose für meine Tochter und einen Alien mit Laserpistole für meinen Sohn. Ich bin restlos begeistert. Und ich erfahre, dass der Zauberer um die unbeeindruckte Herangehensweise Erwachsener an das Thema weiß. Umso mehr genieße er die Begeisterung im Nachhinein, erzählt er mir schmunzelnd. Darum bitte ich ihn am Ende, mir noch ein paar Bilder von anderen Exemplaren zu schicken.

 

Die Ballon-in-Ballon-Technik ist sensationell, nicht wahr?

Michael ist ein einzigartiger Zauberer. Die Kombination aus spektakulären Ballons, Zaubern für und mit Kindern und Bauchrednerpuppe gibt es in Deutschland in dieser Form kein zweites mal. Ich finde, dass wir stolz sein können, so einen besonderen Entertainer in unserer Stadt zu haben und wünsche Michael alles, alles Gute!

 

 

 

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