Ich habe ein total ambivalentes Verhältnis zu volkstümlicher Musik. Dass Schlager heute bei der Jugend ein Revival erfährt, gruselt mich zum Beispiel. Soll das irgendwie cool sein? Also, ich weiß ja nicht. Gleichzeitig aber, kenne ich sie alle auswendig. Und mit alle meine ich auch ALLE. Stellt mir ein Bier hin und ich beweise es Euch. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass mein Vater bereits in zahlreichen Bands spielte. Deshalb bin ich gewissermaßen im Bierzelt aufgewachsen und kann auch gar nichts dafür. Egal – ab zum neuen Beitrag. Heute erzähle ich Euch, wie ich mit meiner Familie in den Mai gefeiert habe, was ich mit dem Smartphone unseres Oberbürgermeisters will und weshalb irgendjemand von Euch mir ein Freibier schuldet.
Es ist der 30.April 2018. Wir haben mit unseren drei Kindern gegrillt und sitzen zufrieden im Oberkotzauer Garten meines Lebensgefährten. Es dämmert gerade, als wir ein riesiges Feuer, ein Stück weit hinter dem Feld, entdecken. Alter Schwede, das ist ganz schön groß und obwohl es gute 600 Meter entfernt ist, hört man es bis hier her lodern. Wir rätseln kurz ernsthaft, ob es sich um eines der vielen Hexenfeuer oder einen handfesten Brand handelt. „Wollen wir mal hingehen?“, fragen wir unsere Kinder. Die begeisterte Antwort fällt einstimmig aus.
Abenteuerlich wandern wir über das stockdunkle Feld, mein Fünfjähriger darf die Taschenlampe halten und ist stolz wie Bolle. Am Feuer angekommen, stellen wir fest, dass es sich um eine private Veranstaltung handelt und nähern uns nur schüchtern. Doch die Gastgeberin steuert geradewegs auf uns zu, bietet uns Getränke und Decken an und so ist der Mai nur noch einen Wimpernschlag von uns entfernt. Endlich. Endlich kann es losgehen. Fast jeden Tag ein neues Fest. Fast jeden Tag einfach Draußen sein. So ist das in Hof und Umgebung. Ein bisschen Land, ein wenig Stadt. Ich liebe es.
Am Morgen des ersten Mai sind wir angesichts der vielen Angebote unschlüssig, auf welche Feier wir gehen sollen. In meinem Herzen ist die Entscheidung jedoch längst gefallen. Weil ich in Krötenbruck aufgewachsen bin, möchte ich das Maifest dort besuchen. Die Maibäume, die ich da verpasst habe, kann man wirklich an einer Hand abzählen. Allerdings – und jetzt kommt die große Beichte – habe ich in keinem Jahr mitgeschnitten, dass unser Oberbürgermeister, Harald Fichtner, seit über 20 Jahren dort für einen guten Zweck mitarbeitet und unter anderem beim Bratwurstverkauf der Metzgerei Preußner anpackt.
Als ich mit meiner Tochter in der Schlange stehe, bin ich wie vom Donner gerührt, weil unser Oberbürgermeister ihre Bestellung aufnimmt. Liegt es daran, dass ich immer Fischbrötchen gegessen habe oder schaue ich die Leute einfach so schlecht an? Vielleicht ist es auch der Kontext, in dem man ihn nicht erwartet? Jedenfalls will ich das unbedingt in meine Story einbauen und überlege fieberhaft, wie ich ihn höflich nach einem Foto für den Beitrag fragen kann. Ich bin ehrlich gehemmt, warum auch immer. Der Mann ist doch nett. Und – ohne hier unnötig politisch zu werden – ich habe exklusiv für Sie getestet: Man muss nicht CSU Wähler sein, um unseren Oberbürgermeister cool zu finden.
Während die Kinder in der Hüpfburg toben, warte ich auf eine gute Gelegenheit, nach dem Foto zu fragen. Und als unser Herr Fichtner eine Pause macht, nehme ich all meinen Mut zusammen, stelle mich vor und frage vorsichtig, ob ein Bild nachher okay wäre. Ich muss schon über mich selbst lachen, aber ich bin wirklich nervös. Vielleicht findet er das ja alles total doof und überhaupt! Doch es kommt ganz anders. „Ja klar“, antwortet er, „ich hab hier auch eins auf dem Handy. Wollen Sie sich das vielleicht selbst schicken?“. Und plötzlich halte ich sein Smartphone in der Hand, habe keine Ahnung, wie ich mich durch das Menü arbeite, speichere letztlich meine Nummer ein und schicke mir dieses Foto. Braucht jemand von Euch noch ein paar Gedanken? Ich habe mir nämlich zu viel davon gemacht.
Um auf die Hüpfburg zurück zu kommen. Über das Team von Wobby`s Event- & Veranstaltungsservice muss ich ja jeden Mai schmunzeln. Besser gesagt über die Tatsache, dass die Kinder deren Hüpfburg ausnahmslos jedes Jahr zum Einsturz bringen. „Die sind zu wild, Mama!“, kreischt mein Sohn zwischendrin und bittet mich, ihn zu begleiten. Da drin ist aber auch Rock ’n‘ Roll. Ich beobachte eine Mutter, wie sie mit völlig zerfledderten Haaren die Burg verlässt, ihre lachende Tochter hinter sich her ziehend. Doch, wie immer halt, regeln die Mitarbeiter das Chaos auf ihre typisch-sympathische Art und Weise. Eine Ansage und die Kinder sind wieder gezügelt. Ich mag diese Leute. Es gibt Glitzertattoos, Luftballons, Kinderschminken und ein Foto von der originellen Arbeitskleidung für mich.
Die Stimmung ist ausgelassen, die Kälte wird ein wenig von der Sonne vertrieben und so ist es Zeit für mich, eine weitere Hemmschwelle zu überwinden. Ich möchte dem uns allen bekannten Musiker, Bernd Günther, eine witzige Geschichte erzählen, von der ich nicht einschätzen kann, wie er sie wohl findet. Es gab nämlich bereits zwei Hofer Alternative Rockbands, die das Publikum auf Konzerten und Contests immer gerne mit den Worten „Servus, mir sin Bernd Günther aus Hof“ begrüßten, bevor sie mit kreischenden Gitarren loslegten. Ich stelle mich bei dem Musiker vor und rücke behutsam mit meiner Geschichte raus. Doch statt meine Story blöd zu finden, setzt der Volksmusikant noch einen drauf. „Das kannte ich noch nicht“, lacht er, „ich weiß nur, dass es online unter Jugendlichen eine Wette gibt, bei der man ein Foto mit mir kriegen muss. Wer es zuerst schafft, bekommt ein Bier ausgegeben“. Nun lachen wir beide und natürlich bitte auch ich ihn um ein Selfie. Also hier, wer auch immer ihr seid, ich möchte dann bitte mein Freibier:
Allmählich neigt sich unser Besuch dem Ende zu und ich muss sagen, ich bin wirklich zufrieden. Nicht nur darüber, dass ich zwei lustige Stories habe, sondern auch, weil ich endlich mal dem Volksfestwirt, Gerhard Maurer, sowie dem Fotografen, Andreas Rau, persönlich die Hand schütteln konnte. Man glaubt es bei unserer kleinen Stadt kaum, aber mit den beiden Männern hatte ich bisher tatsächlich nur online Kontakt. Am Schluss grüßen Moni, Autorin des Hofer Liederlings, und ich uns noch mit einem lockeren Spruch und so gehe ich richtig beseelt nach Hause. In unserer Stadt gibt es unzählige engagierte Menschen. Es gibt unendlich viele Geschichten. Ich kann gar nicht erwarten, sie Euch alle zu erzählen.
Sehr schön, witzig, interessant, kurzweilig