Liebe auf den dritten Klick – Sandro, der Stadtkeller Photograph

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Wenn man bedenkt, wie holprig unsere ersten zwei Anläufe waren, könnte man sich eigentlich wundern, dass Sandro und ich uns am Ende glücklich in den Armen lagen. Bei uns kam die Liebe nämlich erst auf den dritten Klick. Aber lasst mich von vorne anfangen.

 

Klick eins

Sandro und ich folgen uns gegenseitig auf Instagram. Er schießt menschliche Porträts in Hof, ich schreibe welche. Sandro verlinkt mich auf einem Foto. Das Foto zeigt einen lachenden Mann, der seinen Mittelfinger in die Kamera streckt. Mein Username prangt mitten auf dem Stinkefinger. Ich texte Sandro, dass mir die Art der Verlinkung Rätsel aufgibt. Er textet mit Tränen lachenden Emojis zurück, dass er mich nur unterstützen wollte. Wir lachen beide. Erstes Missverständnis überwunden.

Klick zwei

Jetzt sind wir im Gespräch. Nach wie vor habe ich keine Ahnung, um wen es sich bei dem Photographen eigentlich handelt. Sandro erzählt mir von seinen Hofer Stadtkeller Shootings. Ich finde sie interessant. Er fragt, ob ich mitkommen will – ich sage zu. Ich fühle mich mulmig. Ein fremder Mann, Kellerräume, eine Kamera – in meinem Kopf gehen sämtliche Schubladen auf. Auf Nachfrage sagt mein Lebensgefährte mir seine Begleitung zu. Ich schreibe Sandro, dass mein Mann mitkommt. Er schreibt mir zurück, dass auch sein Mann mitkommt. Außerdem noch eine Freundin, die Haare und Makeup macht. Für Essen und Trinken sei außerdem gesorgt. Hätten wir das auch geklärt. Sandro ist kein zwielichtiger Stadtkeller Photograph, sondern ein schwuler, verheirateter Mann, der seine Modelle mit einem tollen Nachmittag verwöhnt. So ist das mit dem Schubladendenken.

Eine Location zum Wohlfühlen

Dann kann es also losgehen. Mein Mann und ich kommen gut gelaunt in den wunderbar kühlen Räumen des Hofer Stadtkellers an. Es läuft gute Musik, die Stimmung ist bereits herzlich. Wir begrüßen uns freudig. Unter den Anwesenden befinden sich Julie, die uns stylen wird, Peter, Sandros Mann und eine weitere Jenny, die ebenfalls fotografiert wird. Kennt Ihr das, wenn man jemanden zum ersten Mal sieht und ihn sofort umarmt, als hätte man nie etwas anderes getan? So geht es mir mit Sandro. Und weil ich nun bei Euch auch schon sämtliche Schubladen aufgehen höre: Nein, er begrüßt mich nicht mit wedelnden Händen und einem nasalen Hallöööchen. Nein, Sandro hat kein bisschen mit einem Brisko Schneider gemein (Gott, bin ich alt, kennt Ihr den noch?). Wir können ab hier mit den Klischees aufhören, denn Sandro bedient sie nicht.

Peter und Sandro haben sich echt große Mühe gemacht. Wir bekommen einen Sekt, es gibt wahnsinnig leckere Spaghetti Muffins und allerlei antialkoholisches. Julies Tochter ist auch dabei und freut sich über die ausgelegten Lollies. Man muss sich einfach sofort wohlfühlen.

Fotograf mit großem Herzen

Wir lachen alle ein wenig über unsere Startschwierigkeiten, dann frage ich Sandro aus und erfahre, dass es die Hofer Stadtkeller Shootings erst seit Ende 2017 gibt. „Mit dem Fotografieren angefangen habe ich eigentlich auf Teneriffa mit meinem Selfie-Stick“, schmunzelt er. „Anfangs habe ich Landschaften fotografiert, merkte dann aber schnell, dass ich sie nicht mehr interessant fand. Für mich war es irgendwann nur noch der nächste Baum, der nächste Fels. Ich schwöre der Landschaftsfotografie nicht komplett ab, aber ich finde Menschen einfach interessanter. Ich wollte lieber den Charakter eines Menschen gut aussehen lassen.“

Sandro gründet eine Facebook-Gruppe, die richtig gut angenommen wird. Schon bald entsteht SHV Photographie und eines führt zum anderen. „Irgendwann kam ein Bekannter auf mich zu und meinte, dass der Stadtkeller doch eine geile Location sei. Daraus ist dann die Idee entstanden, 52 Menschen in 52 Wochen des Jahres zu fotografieren. Immer mit einem anderen Thema. Und das macht tierisch Spaß. Ich liebe es, mit den verschiedensten Hofern zusammenzuarbeiten!“ Der Photograph lacht viel, schätzt es, wenn sich Menschen in seiner Gegenwart wohlfühlen und nimmt Herausforderungen mutig an. Mit seiner 52-Wochen-Idee springt er einfach ins kalte Wasser.

„Man hat schon auch Angst, sich öffentlich mit seiner Aktion zu blamieren. Aber man lernt nur dazu, wenn man sich selbst überwindet und sich selbst zu etwas zwingt“, erklärt er selbstbewusst. Und der Erfolg gibt ihm Recht. Zur Kneipennacht durfte er seine Werke bereits im Hofer Stadtkeller ausstellen. Sandro und ich haben eine Menge gemeinsam. Zum Beispiel die Sucht nach YouTube Tutorials. Der Photograph bringt sich sämtliche Skills mit den Videos selbst bei. Ähnlich wie ich. Lebenslanges Lernen leichtgemacht – Danke, Internet!

„Ich könnte stundenlang YouTube Videos gucken“, verrät er mir und Peter ergänzt mit gespieltem Augenrollen: „Gestern Abend erst saß er da, hat Bilder bearbeitet, gleichzeitig Videos angeschaut und getextet. Und ich durfte auf dem Fernseher nicht umschalten!“ Wie die Beiden miteinander umgehen ist einfach herzerwärmend. Schon 10 Jahre sind sie ein Paar, zwei davon verheiratet. Peter unterstützt seinen Mann offensichtlich, wo es nur geht. Während unserer Zeit ist er ständig in Bewegung. Räumt hier rum, sorgt da für Ordnung, neckt seinen Mann mit Kommentaren. Man merkt, dass sie ein eingespieltes Team sind. Ihre Worte und Handgriffe ergänzen sich gegenseitig. Sandro agiert sehr leidenschaftlich und kreativ, Peter strahlt Ruhe und Besonnenheit aus.

Ich frage, ob die Beiden bei uns schon mit Intoleranz zu kämpfen hatten und bekomme eine Antwort, die mich einfach nur zufrieden macht: Kein Bisschen. Für die Beiden ist ihre Homosexualität etwas ganz Normales und das strahlen sie auch aus. Unaufgeregt, ohne damit hausieren zu gehen, fertig. Sandro hört gern deutschen Hip Hop, Peter kann das weniger verstehen. Beide leben zusammen auf dem Land, genießen zum einen das Häusliche und lieben auf der anderen Seite, neue Leute kennenzulernen.

„Ich connecte mich tierisch gerne mit anderen Menschen. Das ist das Größte für mich, mit Leuten zusammenzusitzen, zu brainstormen, gemeinsam was zu reißen. Ich bin zum Beispiel so dankbar für Julie. Die verbringt einen kompletten Sonntag pro Monat hier mit uns und stylt die Modelle. Das ist nicht selbstverständlich! Aber es macht allen Beteiligten immer großen Spaß!“

Zaubern mit dem Glätteisen

Apropos Julie. Wir kennen uns schon länger flüchtig, aber heute darf ich sie mal in ihrem kreativen Element erleben. Ich setze mich zu ihr auf den Stuhl und sie beginnt, mich herzurichten. Natürlich bin ich kritisch. Wie oft saß ich schon beim Friseur, schaute mich in den Spiegel und dachte mir: „Okay. Ich mach‘ das zu Hause gleich anders.“

Julie beginnt, mit dem Glätteisen zu hantieren. Sie sagt irgendwas von Locken und ich werde ein bisschen nervös. Weil ich nichts sehen kann, konzentriere ich mich auf meinen Mann und seine Reaktionen. Wenn er nämlich komisch schaut, weiß ich genau, dass hier was schief läuft. Doch, je mehr Julie an mir herumexperimentiert, desto größer werden seine Augen. Auf einmal springen alle um mich herum und finden die Veränderung, die Julie an mir vorgenommen hat, wahnsinnig toll. Wie aufregend! Nur noch ein klein wenig Wimperntusche und Nachziehen meiner Augenbrauen und ich darf endlich in den Spiegel schauen.  Krass! Die Frau hat mich innerhalb einer viertel Stunde komplett verändert.

Alle freuen sich staunend und ich muss ehrlich aufpassen, dass ich nicht gleich abhebe, bei so viel Ego Streichelei. Andererseits machen mir die Komplimente gerade den nötigen Mut. Nur, weil ich Fotos von mir im Web hochlade, heißt das nämlich längst nicht, dass es meine Lieblingsbeschäftigung ist, vor der Kamera zu stehen. Schon allein, das Wort „Shooting“ zu benutzen fühlt sich befremdlich für mich an. Sandro verkündet, dass wir das herrliche Wetter nutzen und heute vor dem Stadtkeller auf der Straße fotografieren. Er habe ein superschönes, typisch hoferisches Tor entdeckt. Ich trinke schnell meinen Sekt aus, um die letzten Hemmungen wegzuwischen und dann geht’s los!

Der dritte Klick <3

Zu viert gehen wir nach draußen. Peter hält einen großen Reflektor, der goldenes Licht auf mich wirft. Sandro sagt mir, wo ich mich hinstellen soll und mein Mann grinst kopfschüttelnd und freut sich. Die Sonne blendet wie die Hölle, aber Sandro meint ohnehin, ich solle schauen, wie wenn mein Mann mich gerade versetzt hat und ich hier auf ihn warte. Wie praktisch. Ich positioniere mich unsicher und suche nach Bestätigung – Peter nickt mir fast unmerklich zu. Das beruhigt mich. Und dann klickt die Kamera ein paar Mal und wir sind fertig.

Auf einmal verhalten wir uns doch, wie aus dem Handbuch der Klischees entsprungen. Wir umarmen uns, wedeln aufgeregt mit den Händen und ich glaube, irgendwer ist sogar ein bisschen gehüpft. Vielleicht sogar ich. Sandro freut sich so ansteckend über die Fotos. Und als er sie mir auf der Kamera zeigt, bin ich nur noch baff. Wahnsinn, ich erkenne mich selbst kaum.

 

Wer ist das, Mama? Die Reaktion meines Sohnes, als ich ihm das Foto gezeigt habe.

Als nächstes sind mein Lebensgefährte und ich gemeinsam dran. Ich habe mir schon so lange gemeinsame Fotos von uns gewünscht. Während unsere Charaktere nämlich sehr ähnlich sind, ist unser Aussehen komplett gegensätzlich. Und das liebe ich. Sandro offensichtlich auch, denn er schwärmt und ermutigt und knipst so begeistert, dass auch hier das Posieren zu einer unterhaltsamen Selbstverständlichkeit wird. Ein Sandro, eine Kamera, eine tolle Hofer Kulisse mit Volksfestschmuck. Es ist die pure Freude!

Das Ende eines wunderschönen Nachmittags

Beseelt laufen wir zusammen in den Stadtkeller zurück. Dort quatschen wir noch ein bisschen und können uns kaum losreißen. Am liebsten würde ich jetzt eigentlich noch hier sitzen bleiben, noch etwas Sekt trinken, Muffins essen und bis in den Abend hinein lachen. Aber ich bin noch für’s Volksfest verabredet. Wir beschließen deshalb, bald wieder etwas zusammen zu machen. Darauf freue ich mich schon sehr. Bis dahin bin ich gespannt auf die nächsten Stadtkeller-Porträts und empfehle Euch wärmstens, auch mal auf seiner SVH Facebook-Seite vorbei zu schauen.

Sandro, ich wünsche Dir und Deinem herzlichen Team alles, alles Gute! Macht weiter so! <3 <3 <3

 

 

 

 

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