Der Genussregion auf der Spur mit Rüdiger Strobel

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Die Suche nach dem Metzger des Vertrauens. In unserer Genussregion ein emotionales Unterfangen. Gnadenlos verwöhnt man uns von allen Seiten. Das führt zu Diskussionen. Wer stellt die leckerste Rindfleischwurst her? Wo duftet der Schaschlickspeck besonders herzhaft? Ich vermute, dass bei uns Ehen geschieden werden, weil bei der Frage nach den besten Weißwürsten auch keine Eheberatung mehr helfen kann. Und so überlege ich nicht nur einmal, ob ich mich lieber einfacheren Projekten widmen sollte. 30.000 gut bezahlte Pflegekräfte einzustellen wäre doch auch ein erfolgversprechendes Ziel? Doch zum Glück meldet sich dann Rüdiger Strobel bei mir und schnell stelle ich fest: Bei dem Genussbotschafter aus Dörnthal kann ich absolut nichts falsch machen. Lest heute von Rüdigers Strohschwein-Philosophie, glücklichen Tieren, fair bezahlten Landwirten und von Rindern, die Reise nach Jerusalem spielen. (Werbung)

Der erste Arbeitstag nach dem Urlaub. Für manche ein Grund zum Verzweifeln, für mich ein Grund, zu Jubeln. Denn ich habe einen Termin mit Genussbotschafter, Gelbviehhalter, Grundsätzevertreter und Gutewursthersteller Rüdiger Strobel. Als ich mich auf den Weg mache, bin ich saugespannt im wahrsten Sinne des Wortes. Der 47-jährige Metzger hat mich nämlich zu einer persönlichen Führung vom Stall bis zur Theke eingeladen. Ich fühle mich privilegiert, einmal das zu erfahren, was sich immer mehr Konsumenten wünschen: Absolute Transparenz bei der Entstehung von Lebensmitteln.

Erste Station: Jean-Paul Café. Als ich eintrete, sehe ich das vertraute Gesicht von Wärschtlamo Marcus Traub, dessen Schicht gleich beginnt. Er und Rüdiger sitzen am Tisch und sind gerade in einen Gedankenaustausch über Sauerbraten vertieft. Die Begrüßung fällt herzlich aus, dann lausche ich gespannt dem Expertengespräch. Ich erfahre, dass der klassische Sauerbraten eigentlich aus Pferdefleisch gemacht wurde. Essig sorgte außerdem dafür, dass auch der älteste Gaul noch weich wurde. Geschichten über die Entstehung all unserer Rezepte sind immer wieder spannend. Das findet auch der Metzgermeister: „Man muss die Geschichte kennen, um die Gegenwart zu verstehen“, sagt er während der nächsten Stunden nicht nur einmal. Als wir zu zweit am Tisch zurück bleiben beginnt meine Abenteuerreise durch die Welt des Metzgerhandwerks.

Rüdiger Strobel ist 47 Jahre alt, verheiratet und Vater dreier Kinder. Seine Landmetzgerei übernimmt er im Jahr 2001 von seinen Eltern. Die Meisterprüfung legt er mit Auszeichnung ab. Die Prüfung zum Betriebswirt des Handwerks besteht er mit 1,0. Es ist offensichtlich, dass der Mann vor mir nicht nur Traditionen schätzt, sondern auch leidenschaftlich gerne Neues lernt. Gleich nach seiner Übernahme lässt er den Dörnthaler Laden in modernem Glanz erstrahlen. Sein Lebenslauf wird zudem von Zusatzausbildungen geschmückt. So ist er nicht nur Genussbotschafter, sondern auch Oberfrankens erster Diplom-Fleischsommelier im Jahr 2016. „Eine Ausbildung zum Gewürzsommelier will ich auch noch machen. Das ist dann aber die letzte“, lächelt er. Irgendwie glaube ich das dem motivierten Metzger nicht.

Rüdiger Strobel ist oberfränkischer Pionier in Sachen artgerechte Strohschwein-Haltung

Welche konkreten Anlaufstellen unser Ausflug beinhalten wird, weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Und meiner Neugier steigt, weil unser Gespräch im Café regelrecht ausufert. Mit Rüdiger kann man über alles sprechen. Über Gesundheit und Genuss, Familie und Urlaubsziele, über Bier und Steaks und Skifahren. Der Metzger schwärmt vom Tierarzt, Dr. Meiler, Verfechter der artgerechten Tierhaltung, der zufällig am Nebentisch sitzt. Er erzählt aber auch von Personalherausforderungen oder den Beziehungen unserer Metzger zueinander, die zwar freilich Konkurrenten sind, aber dann doch wieder ein großes Team zu bilden scheinen. Ich könnte mich echt verquatschen und muss aufpassen, den Faden nicht zu verlieren. Wir haben doch keine Zeit! Doch ich kann mich gut zügeln, denn Rüdiger und ich teilen ein höheres Ziel: Der unbedingte Wille, gute Qualität anzubieten. Also lehne ich mich zurück, bestelle ein weiteres Getränk und genieße einfach, den Menschen vor mir richtig kennenzulernen.

Nach zwei Stunden brechen wir auf. Gumpertsreuth heißt die nächste Station. Dort lebt einer von Rüdigers zehn Strohschwein-Erzeugern. Als wir auf den Hof fahren entdecke ich die Gastwirtschaft der Familie. „Altes Haus“ heißt das Wirtshaus von Rainer und Katrin. Die Beiden sind ständig am Lächeln und haben einen Spruch nach dem anderen auf den Lippen. Ich merke sofort: Das sind ganz, ganz herzliche Leute. Ihre Unternehmensgeschichte ist wahnsinnig interessant – erneut könnte ich mich in Details verlieren. Die Wirtschaft kannte ich nicht, dabei ist sie gleich bei mir ums Eck. Dort lockt sie mit Fleisch und Fisch aus eigener Züchtung, sowie Wild aus eigener Jagd von Jonas Strobel. Kartoffeln werden selbst angebaut, all die anderen Lebensmitteln regional bezogen. Streicheltiere und zwei topmoderne Ferienwohnungen lassen das Reiseherz höher schlagen. Verrückt. Da fliegt man meilenweit mit dem Flugzeug, dabei liegt der Urlaub direkt vor der Haustür. Findet Rüdiger übrigens auch. Oh, Genussregion, wir werden noch so viel Spaß miteinander haben!

Als wir endlich den Stall betreten, hört man entzücktes Quieken. Von mir. Aber auch die Ferkelchen, die sich im Stroh um die Zitzen ihrer Mutter streiten, haben ein überraschend lautes Organ. Wahnsinn, die kleinen Kerle sind erst ein paar Stunden alt! Quietschvergnügt purzeln sie beim Kampf übereinander. In der Box gegenüber spielen ein paar ältere Jungtiere im Stroh. Rüdiger streichelt grinsend über die lustigen Schnauzen der Tiere. „Schweine sind total neugierig“, erklärt mir der Fachmann. Und dass ihre Neugier hier über ihren Wühltrieb befriedigt werden könne. Ein absoluter Luxus für die spielfreudigen Tiere.

Bei der konventionellen Haltung müssen Schweine auf sogenanntem Spaltenboden stehen. „Da muss man halt nicht ausmisten. Das ist natürlich billiger.“ Doch der Fleischermeister könne das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. „Stell‘ Dir vor, Du müsstest den ganzen Tag mit hohen Absatzschuhen auf dem Asphalt laufen. Nur ohne Absatz“, sagt Rüdiger. „So ist das für die Tiere auf dem Spaltenboden. Als würden sie den ganzen Tag auf Zehenspitzen stehen.“ Rüdiger setzt deshalb auf diese traditionelle, kostenintensivere Art der Haltung. „Weil ich mir wünsche, dass es allen Beteiligten in der Kette gut geht.“ Das Wohlergehen der Schweine habe dabei den höchsten Stellenwert. Das – und die faire Bezahlung der Landwirte für ihren Mehraufwand. Der Mastbetrieb kann ansonsten ein gnadenloser Wettbewerb sein. „Hätte Rüdiger nicht auf Strohschweine umgestellt, würde ich wahrscheinlich keine Schweine mehr züchten“, berichtet Rainer.

Einen Raum weiter darf ich eine Box betreten. Sofort schnüffeln mich neugierige Nasen aus allen Richtungen an. „Nicht erschrecken, die werden dich sofort umzingeln, wenn du da reingehst“, wurde ich von Rainer vorgewarnt. Aber ich bin trotzdem überfordert und muss total lachen, als mir eine Handvoll Tiere an den Schuhen knabbert. Je mehr ich meine Füße wegziehe, desto interessierter und aufdringlicher werden die Nasen. Mir war nicht bewusst, wie verspielt Schweine tatsächlich sind. Jetzt verstehe ich auch, was es für sie bedeuten muss, wenn das Wühlen und Forschen im Stroh durch kalte, leere Zellen ersetzt wird. Dagegen ist das hier pure Schweine-Wellness. Das sieht man auch an den Muttersauen nebenan. Zufrieden chillen sie im Stroh. Mittendrin ein dicker, fetter Eber, dem nur noch die Zigarette danach im Mund fehlt.

In den Ställen sind Tiere sämtlicher Größen und Gewichtsklassen vertreten. Hier gibt es keine genormte Masse. Hier werden auch sogenannte Kümmerlinge – besonders klein geratene Tiere – gleichermaßen durchgebracht. Acht Monate führen sie ein glückliches Leben, um nachhaltig Gewicht zuzulegen. Bei der konventionellen Mast sind es nur sechs. Zeit ist Geld. Geld, das die Kunden am Ende zu zahlen bereit sein müssen. „Wir werden vermutlich niemals komplett von der konventionellen Mast wegkommen“, bedauert Rüdiger. Doch die Nachfrage nach Alternativen steigt trotzdem. Darüber freuen sich beide Männer.

Allmählich müssen wir weiterziehen. Wir wollen noch nach Dörnthal, um Rüdigers erste eigene Rinderherde zu besuchen. „Fränkisches Gelbvieh“, grinst er unglaublich stolz. Seit Juni 2018 leben dir Rinder gleich bei ihm um’s Eck. Er kann sie von seinem Fenster aus sehen. Seine innige Beziehung zu den Tieren hat er mir im Vorfeld beschrieben: „Ich liebe meine eigene, kleine Gelbviehherde – alle Tiere haben einen Namen.“ Gleichzeitig sei ihm natürlich bewusst, dass die Rinder für unsere Ernährung sterben müssten. Damit könne er aber umgehen. „Meine Verbindungen und Emotionen zu dem Tier sagen mir, dass es richtig ist und ich alles in meiner Macht stehende getan habe, damit sie sich wohl gefühlt haben.“ Darüber wird gestritten. Öffentlich und emotionsgeladen. Das weiß er. Das weiß ich. Doch wenn Rüdiger in seinem Stall steht und seine Kühe anlächelt, glaube ich ihm zu hundert Prozent, was er sagt. „Ich könnte stundenlang hier stehen und sie beobachten“, schwärmt er. Während der Rauhnächte habe er das auch getan. „Man sagt, in dieser Zeit könne man mit Tieren sprechen“. Die ganze Szene bewegt mich unheimlich.

„Manchmal, wenn ein Tier beschließt, jetzt den Futterplatz wechseln zu müssen, sieht es aus, als spielen sie die Reise nach Jerusalem“, lacht Rüdiger. „Da wird sich dann woanders reingedrängelt und alle anderen müssen eins aufrutschen.“

Nur schwer können wir uns losreißen, um noch einmal kurz die Landmetzgerei selbst, wenige Meter weiter, zu sehen. In den Gebäuden gibt es nicht nur Produktionsräume und Verkaufstheke, sondern auch eine große Küche und eine noch größere Eventhalle. „Hier finden zum Beispiel Seminare, Hochzeiten oder Weihnachtsfeiern statt“, berichtet der Geschäftsführer stolz. Doch auch zu Hause richte sein Cateringteam Feiern aus. „Wir haben sämtliches Equipment da. Full Service sozusagen.“ Ich frage mich, wie er das alles schafft. Nach fünf Stunden Führung stellen wir freudig fest, dass wir uns eine Zusammenarbeit gut vorstellen können. Ich bekomme noch eine Hofer Rindfleischwurst, dann wird es Zeit, zu gehen. Leider.

Als ich nach Hause komme, merke ich, dass meine Jacke nach Stall riecht. Meine Schuhe sind voller Schlamm. Es ist einfach wunderbar. Und meine Finger jucken, deshalb schreibe ich Rüdiger, dass ich Euch unbedingt von dem Ausflug berichten muss. Genau so habe ich mir das nämlich vorgestellt mit der Genussregion. Sie verbindet moderne Bedürfnisse mit altbewährten Traditionen. Durch Menschen, wie Rüdiger Strobel. Ein Metzger mit großem Herzen, innovativen Ideen und einem besonderen Draht zur Natur.

 

 

 

 

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