Kein Darkroom für Intellektuelle – das Hofer Galeriehaus

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Als ich mich auf den Weg zu meinem Treffpunkt mit Michael Böhm mache, begebe ich mich auf gedankliche Zeitreise, denn ich war seit 15 Jahren nicht mehr an diesem Ort.

Das Galeriehaus. Für meine beste Freundin und mich bedeutete es damals, gegen den Mainstream zu sein. Wobei Mainstream bei uns noch Kommerz hieß. Galeriehaus bedeutete, gegen „die Gesellschaft“ zu sein. Wer auch immer „die Gesellschaft“ war, aber so viel stand fest: Wir waren es nicht. Galeriehaus bedeutete an einem Freitagabend Wein zu trinken, Gras zu rauchen und sich unglaublich alternativ dabei vorzukommen. Galeriehaus bedeutete Identitätssuche. Und es bedeutete, in den oberen Räumen zu sitzen, sich über das auszutauschen, was jeder einmal in irgendeinem Buch gelesen hatte, Zitate rauszuhauen, die beeindrucken sollten, während man von Jazz eingelullt wurde, den man nicht verstand. Kurz gesagt: Galeriehaus war mir viel zu anstrengend. Denn ich spürte dort einfach, dass ich mit meinen paar Jährchen eigentlich überhaupt keine Ahnung vom Leben hatte. Davon abgesehen musste ich irgendwann zugeben, dass mich das kommerzielle Leben doch viel mehr lockte. Hip Hop, Techno, Alkopops. Ja, ja, so war das.

Da bin ich also wieder, nach so langer Zeit. Diesmal erwachsen, aber noch immer in einem Alter, das Michael Böhm als „jünger“ bezeichnet. Ich sehe mich um, als ich das kleine Häuschen betrete. Auf den ersten Blick hat sich hier wenig verändert. Die Möbel wirken liebevoll zusammengewürfelt, an den Wänden findet man verschiedenste Künste. Hier die Werke der aktuellen Ausstellung, dort ein Spruch, der nachdenklich macht, an der nächsten Wand sarkastischer Humor, in einem anderen Eck japanische

Comics. Der untere Bereich wird von einem sichtbar genutzten Flügel geschmückt. Eine Leinwand ziert den Raum, damit Künstler den Gästen per Skype zugeschaltet werden können. Im oberen Bereich gleicht kein Stuhl dem anderen und die Wände wurden mit Plakaten und Postern tapeziert. Ja, besonders an die  Dachräume erinnere ich mich noch, denn man musste die steile Treppe nach oben besteigen, wenn man zur Toilette wollte. Allein die Angst vor dieser fiesen Treppe holte mich bei jedem Besuch auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn egal, wie sehr du glaubst, über den Dingen zu stehen, egal, wie klug du von Gerechtigkeit schwafelst, völlig egal, wie vernünftig und aufgeklärt du dich fühlst – wenn es dich öffentlich eine Treppe runtersemmelt, ist dir das scheiße peinlich.

Michael Böhm gibt mir eine Cola aus und wir fangen an, zu reden. Der Wirt des Galeriehaus ist 48 Jahre alt, verheiratet und zweifacher Familienvater. Für seinen bewegten Lebenslauf finde ich diesen Status vergleichsweise gesittet. Micha lernt zunächst KfZ-Mechaniker bei der Bahn, wird dann Fluggerätemechaniker bei der Lufthansa, holt sein Abitur nach, studiert Mathe und Physik, entscheidet sich anschließend, Lernprogramme mit Piloten zu machen, nur um später in den Verkauf zu wechseln. Seine Karriere erstreckt sich über Chicago und Frankfurt. Als er wieder nach Hof kommt, gründet er die Lerntankstelle und lebt davon, während das Galeriehaus immer mehr in seinen Fokus rückt und allmählich zu einem weiteren Projekt wird. Ich liebe solche Lebensläufe, zeugen sie doch von einem großen Erfahrungsschatz und unbändiger Neugier. Micha bestätigt mir das: „Ich bin ja so ein dynamischer Mensch, der einfach anfängt. Und wie die Details werden, sehen wir dann.“ Eine Einstellung, die ihm in der letzten Zeit nützlich gewesen sein dürfte.

Ein verlängertes Wohnzimmer

Denn im letzten Jahr musste das Galeriehaus gerettet werden. Ich frage, wie es dazu kam. Und wie Micha zum Galeriehaus kommt. Der Wirt beginnt, in Erinnerungen zu schwelgen: „Ich habe das Galeriehaus schon als junger Mensch besucht, als Werner Weinelt es noch führte. Ich war gerne hier. Heimlich oben rauchen, Billard spielen, all das eben“, lächelt er. „Die Alleinstellungsmerkmale gab es damals schon durch Werner. Er war dem Kommerz und dem Mainstream so dermaßen diametral gegenüber und hat mich, was Musik und Kunst angeht, unglaublich geprägt.“ Der junge Micha verlässt Hof für 16 Jahre. Dann kehrt er zurück. „Als ich wieder kam, war Werner von meiner Wahrnehmung her noch genauso, wie ich ihn in Erinnerung hatte und das Galeriehaus wurde zu meinem verlängerten Wohnzimmer. Ich saß immer mit vorne, neben der Theke. Es hat lang gedauert, bis ich da gefühlt sitzen durfte“, schmunzelt er. „So habe ich mich mit Werner immer mehr angefreundet. Und irgendwann hat er gesagt, er fährt zwei Tage weg und mich gebeten, zu übernehmen.“ Micha fühlt sich geadelt. „Von da an waren wir Partner, sozusagen.“

Als Werner 2017 stirbt, ist Micha klar: Wenn er nicht übernimmt, ist es vorbei mit dem Galeriehaus. Und auch der Trägerverein der Hofer Filmtage, Cine Center Hof e.V., wird aktiv – hatten die Filmtage hier doch 1967 ihre Anfänge. Die Mitglieder starten eine Crowdfunding-Aktion, erwerben das Galeriehaus und streben die notwendigen Renovierungen an. Mit neuem Pächter und frischem Wind kann es dank tatkräftiger Hofer also  weitergehen.

„Ich würde vor allem gerne diese Hemmschwelle abbauen“

Ich will wissen, wie genau es weitergeht und ob Micha ein bestimmtes Konzept verfolgt. „Das Alleinstellungsmerkmal des Galeriehaus besteht aus drei Säulen: Die Musik, die Kunst an der Wand, also unsere Ausstellungen, und das gesprochene beziehungsweise geschriebene Wort, also die Lesungen und die Diskussionen, die hier stattfinden. Ich bin vielleicht ein wenig anders gestrickt, als Werner, aber Mainstream wird das Galeriehaus niemals werden. Davon gibt es hier genug und ich wünsche mir kulturelle Vielfalt. Um das Kommerzielle habe ich mich aber trotzdem gekümmert, indem ich die Getränkekarte verjüngt und verweiblicht habe. Früher gab es halt nur Bier, jetzt gibt es eben auch Gin Tonic“, erzählt Micha und fährt fort: „Ich würde vor allem gerne diese Hemmschwelle abbauen, die zu existieren scheint. Wir machen ja viel Marketing, aber man muss sich auch damit beschäftigen, was die Leute so sagen. Und dadurch, dass Theater, Film oder Jazz hier große Themen sind, scheinen einige Menschen zu denken, man käme hier in einen Darkroom für Intellektuelle“, lacht er. „Dabei ist das Galeriehaus so charmant, dass man ohnehin nicht wieder gehen möchte. Klar gibt’s hier meine Stammgäste, da ist auch Lokalpolitik dabei, da wird, sag‘ ich mal, sehr viel hochwertiges Gespräch gepflegt. Aber auch das kann zu späterer Stunde einfacher werden. Und dann gibt es noch eine Menge ‚Magic Moments‘, in denen neue Gäste, die gehemmt waren, herzukommen, sich plötzlich an den Flügel setzen und anfangen, mit Brillanz zu spielen.“

Ich muss Micha absolut Recht geben. Ich will tatsächlich gar nicht wieder gehen. Denn so, wie wir hier sitzen und plaudern, wird mir klar, dass das Galeriehaus ein ganz besonderer Ort ist. Hier geht es gar nicht darum, die Kunst zu „verstehen“, oder Jazzliebhaber zu sein. Hier ist es schlichtweg möglich, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Und wenn ich heute, im Vergleich zu damals, um eine Erkenntnis reicher bin, dann ist es die, dass es kein unbedingtes Zeichen von Intelligenz ist, zu allem eine feste Meinung zu haben.

„Wir setzen damit ein Zeichen – wir sind keine Konkurrenten“

Zuletzt möchte ich mehr über das anstehende Event wissen, das Micha in Kooperation mit den drei Musikkneipen Alter Bahnhof, Zur Linde und Kunstkaufhaus initiiert hat. Linie 4 heißt die Veranstaltung, die am 22. September stattfindet. Sieben Bands werden in der Nacht die teilnehmenden Kneipen bespielen. Die Veranstaltungsorte können bequem per Pendelbus der Hof Bus GmbH gewechselt werden. Eine bisher nie dagewesene Neuheit in unserer Stadt.

Micha erklärt mir, wie es dazu kam: „Es gibt ja schon die Kneipennacht, aber ich glaube, die vier Kneipen, die bei Linie 4 mitmachen, sind die, die Hof vor allem musiktechnisch bespielen. Als mir die Idee kam, hab ich ein wenig mit meinen Gästen darüber geredet und ganz schnell gemerkt: Wir sind deshalb aber keine Konkurrenten. Jeder hat so seine eigene Sparte, das macht uns zu einer gemeinsamen Szene. Genau das habe ich den anderen Wirten dann auch gesagt und sie fanden das toll. Damit war Linie 4 echt schnell generiert.“

Und auch ich mag die Idee – ganz besonders als der Wirt mir erklärt, die Kneipen wollten damit ein Zeichen setzen. Konkurrenzdenken unter den Hofer ist tatsächlich etwas, das man kaum mitbekommt. Micha schwärmt jedenfalls. „Die Zusammenarbeit war erste Sahne. In Hof geht sowas, weil es hier Leute gibt, die das stützen und auf die man vertrauen kann. Aufgrund der Größe der Stadt ist Hof ein wunderbares Feld für Netzwerk. Wenn du das jetzt in Frankfurt probierst, da ist das schon nicht mehr richtig machbar, sich zu bewegen. Ich bin jedenfalls echt gespannt, wie’s läuft.“

 

Dieser Beitrag wurde mit einem Gewinnspiel verknüpft. Verlost werden 2×2 Bändchen für das anstehende Linie 4 Event, am 22.09.2018. Um am Gewinnspiel teilzunehmen, müsst Ihr nur Folgendes tun:

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Das Gewinnspiel endet am 20.09.2018 um 23:59 Uhr. Ausgelost wird per Zufallsverfahren. Die GewinnerInnen werden in einem gesonderten Posting auf Facebook informiert.

 

Ausführliche Teilnahmebedingungen

1. Gegenstand der Teilnahmebedingungen und Veranstalter

(1) Diese Teilnahmebedingungen regeln die Bedingungen für eine Teilnahme an dem Gewinnspiel sowie gegebenenfalls erforderliche Rechteübertragungen. Die Beschreibung und der Ablauf des jeweiligen Gewinnspiels erfolgen im Rahmen der jeweiligen Gewinnspielaktion auf der Facebook-Seite von Hof Bloggerin.
(2) Veranstalter des Gewinnspiels sind Jennifer Müller (Hof Bloggerin) und das Galeriehaus, Sophienberg 28, 95028 Hof.
(3) Mit Teilnahme an dem jeweiligen Gewinnspiel werden diese Teilnahmebedingungen angenommen.
(4) Das Gewinnspiel steht in keiner Verbindung zu Facebook, es wird weder von Facebook gesponsert, unterstützt noch organisiert.

2. Teilnahme
(1) Teilnahmeberechtigt am Gewinnspiel sind alle Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet und ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Die Teilnahme mit gefälschten Identitäten oder mit Identitäten von Dritten ist nicht erlaubt.
(2) Teilnahmeberechtigte können an dem Gewinnspiel teilnehmen, indem sie das Gewinnspiel-Posting liken („Gefällt-mir“ klicken) und diese Bewertung jedenfalls bis zur Auswahl der Gewinner belassen.
(3) Voraussetzung ist ferner, dass das Gewinnspiel-Posting in der eigenen Chronik geteilt wird.
(4) Die Teilnahme ist bis zum 20.09.2018, 23:59 Uhr möglich.

3. Gewinne und Gewinnbenachrichtigung
(1) Unter allen teilnahmeberechtigten Teilnehmern verlosen wir 2×2 Bändchen für das Linie 4 Event am 22.09.2018.
(2) Die Gewinner werden am 21.09.2018 unter allen teilnahmeberechtigten Teilnehmern per Zufallsprinzip ermittelt. Die Gewinner werden per Facebook-Kommentar-Funktion oder in einem gesonderten Posting benachrichtigt und können ihren Gewinn am Tag des Events im Galeriehaus Hof abholen.
(3) Je Teilnehmer ist nur ein Gewinn möglich.
(4) Der Gewinn ist weder übertragbar, noch kann der Gewinn getauscht oder in bar ausgezahlt werden.

4. Ausschluss
(1) Ein Verstoß gegen diese Teilnahmebedingungen berechtigt uns, den jeweiligen Teilnehmer von der Teilnahme auszuschließen. Dies gilt insbesondere, wenn der Teilnehmer falsche Angaben macht oder verwendete Fotos oder andere Inhalte (z.B. Kommentare) geltendes Recht oder Rechte Dritter verletzen. Gleiches gilt bei Kommentaren, die als gewaltverherrlichend, anstößig, belästigend oder herabwürdigend angesehen werden können oder in sonstiger Weise gegen das gesellschaftliche Anstandsgefühl verstoßen.
(2) Handelt es sich bei dem ausgeschlossenen Teilnehmer um einen bereits ausgelosten Gewinner, kann der Gewinn nachträglich aberkannt werden.

7. Vorzeitige Beendigung sowie Änderungen
Wir behalten uns das Recht vor, das Gewinnspiel jederzeit, auch ohne Einhaltung von Fristen, ganz oder teilweise vorzeitig zu beenden oder in seinem Verlauf abzuändern, wenn es aus technischen (z.B. Computervirus, Manipulation von oder Fehler in Software/Hardware) oder rechtlichen Gründen (z.B. Untersagung durch Facebook) nicht möglich ist, eine ordnungsgemäße Durchführung des Gewinnspiels zu garantieren.

8. Datenschutz
Wir sind verantwortlich für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten der Teilnehmer, sofern wir diese selbst verarbeiten. Wir werden die Angaben zur Person des Teilnehmers sowie seine sonstigen personenbezogenen Daten nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen des Datenschutzrechtes verwenden. Wir werden die Informationen nur insoweit speichern, verarbeiten und nutzen, soweit dies für die Durchführung des Gewinnspiels erforderlich ist bzw. eine Einwilligung des Teilnehmers vorliegt. Dies umfasst auch eine Verwendung zur Ausübung der eingeräumten Nutzungsrechte. Die Daten werden ausschließlich zur Durchführung des Gewinnspiels verwendet und anschließend gelöscht.
Der Teilnehmer kann jederzeit Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten verlangen. Im Übrigen gilt unsere Datenschutzerklärung entsprechend, die unter Datenschutzerklärung abrufbar ist.

9. Schlussbestimmungen
(1) Sollten die Teilnahmebedingungen unwirksame Regelungen enthalten, bleibt die Wirksamkeit der Bedingungen im Übrigen unberührt.
(2) Es gilt deutsches Recht. Ein Rechtsweg zur Überprüfung der Auslosung ist ausgeschlossen.

 

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