Unser Unwissen über die Herkunft von Lebensmitteln oder deren Inhaltsstoffe beschreibt man auch als Entfremdung. Der Begriff beschreibt für mich perfekt, was die Industrialisierung und die damit einhergehende Massenfertigung unseres Essens mit uns gemacht hat. Wir kochen weniger, wir haben überhaupt nichts mehr mit den Herstellungsprozessen von Nahrungsmitteln zu tun und zu viele von uns haben ihre Nahrung noch nie beim Wachsen beobachtet, geschweigedenn dankbar geerntet. Das Zeug steht doch im Regal! Doch es gibt immer mehr Menschen, die ihre Sehnsucht nach Lebensmittelverbundenheit in die Welt tragen. Metzger Rüdiger Strobel zum Beispiel, Freund der artgerechten Tierhaltung und Lebensmitteltransparenz. Oder der Verein Slow Food, dessen Mitglieder sich für Nachhaltigkeit, Fairness und bewussten Genuss qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel einsetzen. All diese Leute haben sich vor ein paar Wochen an einem großen Tisch in der Eventhalle der Landmetzgerei Strobel versammelt, um hautnah zu erleben, wie Bratwürste hergestellt werden. Vom Schwein bis zum Grill. Auch ich war dabei und erzähle Euch heute, wie Esskultur verbindet.
Beitrag vom 08.03.2019 (Im Auftrag der Landmetzgerei Strobel)
Es ist Samstag, 10 Uhr Morgens, als ich im verschneiten Dörnthal ankomme. Ich freue mich riesig auf das bevorstehende Bratwurstseminar der Landmetzgerei Strobel. Nicht nur, weil mich die Herstellung interessiert, sondern auch, weil ich unglaublich hungrig bin. Ich habe nämlich mal wieder nicht gefrühstückt. Ja, ich bekenne mich hier absolut schuldig: Die Sache mit dem bewussten Essen bekomme ich noch nicht so gut hin, wie ich es gern hätte. Bei mir gibt es genau eine feste Mahlzeit am Tag. Und das ist das Abendessen mit der Familie. Der Rest kann eher als unbewusstes Mampfen neben der Arbeit bezeichnet werden. Doch wie lang wird es wohl dauern, so eine leckere Bratwurst herzustellen? Ich bin jetzt schon ungeduldig.
In Rüdigers Eventhalle sind die anderen Teilnehmer bereits angekommen. Sie alle sind Mitglieder des Slow Food e.V. Die internationale Nonprofit-Organisation verfolgt den Verhaltensgrundsatz, als Konsument auf faire, gute und saubere Lebensmittel zu achten. Unter den Mitgliedern befinden sich Jäger, Genussführer und auch ein Brauer-Paar aus Bad Staffelstein, das eigens für sein Wirtshaus gebrautes Bier mitgebracht hat. Ihnen allen voran steht der Organisator des gemeinsamen Ausflugs: Norbert Heimbeck. Wie ich erfahre, ist er seit einem knappen Jahr neuer Geschäftsführer der Genussregion Oberfranken. Ich freue mich, ihm die Hand zu schütteln. Außerdem springt Rüdigers sechsjähriger Sohn vergnügt zwischen den Leuten herum. Das hier ist eben ein echter Familienbetrieb.
Die Stimmung in der 13-köpfigen Gruppe ist jetzt schon gut. Rüdiger begrüßt uns. Wir erfahren, dass wir grobe (evangelische) und feine (katholische) Bratwürste herstellen. „Wursten ist gar nicht so schwer“, erklärt der Profi, „eigentlich ist es nicht viel anders, als Kuchen backen. Nur eben mit anderen Zutaten.“ Dann bittet er uns an die festlich gedeckte Tafel seiner Eventhalle. Wir werden während des Informationsteils mit besten Wurstwaren vom Strohschwein verwöhnt. Mein hungriges Herz macht einen Satz. So, wie wir alle dasitzen und Brötchen oder Butter herumreichen, fühlt sich das Ganze jetzt schon nach Großfamilie an.
Rüdiger erklärt die Basics. „Die Bratwurst ist eigentlich eine reine Winterwurst“, erfahren wir. Bei heißen Temperaturen sei es früher nämlich schwierig mit der Haltbarkeit gewesen. So käme es, dass die Wurst gern traditionell zur Weihnachtszeit gegessen wird. Interessant. Ich hätte gedacht, wir haben’s hier mit einem sommerlichen Grillprodukt zu tun. Für die Herstellung benötige man außerdem Eis. „Wenn man geübt ist, schmeckt man auch heraus, ob die Bratwurst mit weichem oder hartem Wasser gemacht wurde“, erzählt der Metzger weiter. Besonders das Brauer-Pärchen hört an dieser Stelle interessiert zu.
„Die Feinheiten, wie ich meine Bratwurst mache, geb‘ ich Euch natürlich nicht preis“, lacht Rüdiger, verrät aber weiter, welches Fleisch er während der Grillsaison beimischt. „Lamm, Wild, Chilli oder Fischbratwürste“ bietet er an. Fisch? Ich hake nach. „Ja, das ist eine grobe Bratwurst mit gebeizter Lachsforelle als Einlage.“ Ich weiß jetzt schon, was ich im Sommer grille. „Aber auch Wildschwein ist eine tolle Grundlage“, freut sich Rüdiger. Jap – in wenigen Monaten habe ich einiges zu probieren!
Norbert Heimbeck präsentiert die aktuellen Ausgaben des Slow Food Magazins, die ich allesamt einpacke. Er ist mit Tochter und Frau da. Seine Ernährungsphilosophie zieht sich durch die ganze Familie. Einmal im Monat organisiert er Veranstaltungen wie diese. Es werden Betriebe wie Backstuben, Brauereien oder Metzgereien besucht, aber auch artgerechte Tierhaltung ist ein großes Thema. Vor kurzem hat die Gruppe gemeinsam verschiedene Kloßarten gekocht und auch bei der Strohschweinführung war Slow Food schon dabei. „Ich möchte die Slow Food Regionalgruppe wiederbeleben“, erzählt der motivierte Mann. Inzwischen gäbe es außerdem so viele verschiedene Organisationen, die sich für bewussten Konsum entschieden hätten. „Die würde ich gerne alle vernetzen.“ Wie immer, wenn ich Menschen mit Idealen treffe, bin ich glücklich und auch ein wenig beruhigt, was die Zukunft unserer Erde angeht. Ich nehme mir vor, mich genauer mit dem Verein zu beschäftigen.
Nachdem ich mich am leckersten Lachsschinken aller Zeiten satt gegessen habe, geht es aber an die Arbeit. Wir ziehen uns einen Schutz über und wechseln in die Verarbeitungsräume. Erste Station: Zerlegung. Rüdiger holt eine Schweinehälfte herein und erklärt, welche Teile für die Bratwürste Verwendung finden. Schulter, Bauch, Rinderhals und Fett von der Schweinebacke. Professionell löst der Metzger das Fleisch der Schulter mit dem Messer aus.
Dann sind wir an der Reihe. Ich konnte mir kein bisschen merken, wie das mit dem Zerteilen ging. Die anderen Teilnehmer aber offensichtlich schon. Einer nach dem anderen löst gekonnt das Fleisch aus. Ich kann mir die Technik auch nach dem vierten Mal nicht merken und beschränke mich später darauf, den Bauch in gleichmäßige Stücke zu schneiden. Rüdiger schätzt das Gewicht jeder Portion nahezu exakt, wie die Waage verrät.
Wir erfahren weitere, interessante Bratwurst-Lifehacks. „In die Hofer Bratwurst kommt üblicherweise nur Schwein. In Kulmbach ist zum Beispiel immer Kalb mit drin. Wir machen gerne Rind mit rein, dann geht die abgekühlte Bratwurst wieder auf, wenn ich sie nochmal auf den heißen Grill lege.“
Im Nebenraum geht es jetzt an die Verarbeitung mit Fleischwolf und Cutter. Bei den groben Würsten reicht das erste Gerät. Für den feinen Teig braucht es zweiteres. Hier kommt Eis zum Einsatz. „Damit die Temperatur beim Zerkleinern nicht zu hoch wird“, sagt Rüdiger und kontrolliert ebendiese mit dem Küchenthermometer. Es werden Gewürze beigemischt und den groben Würsten noch Eier zugegeben. Schon ist der Teig fertig. Das ist ja tatsächlich wie beim Backen hier! Da und dort wird probiert, beurteilt und interessiert genickt. Das meinte ich mit „Nahrungsmittel erleben“.
Jetzt geht es ans Füllen der Schafsdärme. Und auch hier darf jeder wieder seine Fähigkeiten unter Beweis stellen. Wir alle haben so einen Wurstfüller schon im Fernsehen gesehen. Ihn einmal selbst zu bedienen ist wirklich ein Erlebnis. Die Kunst besteht darin, gleichmäßig große Würste zu füllen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Dann sind wir endlich fertig. Stolz blicken wir auf unser Werk. Jetzt wird gegrillt! Yes!
Selbstverständlich hat Rüdiger einen hochwertigen Markengrill. Wie ich erfahre, ist der Verkauf von den tollen Geräten ein weiteres Angebot von ihm. Und ich erhalte noch mehr Bratwurst-Insiderwissen: „Wichtig ist, dass die Bratwurst beim Grillen aufschnappt“, erklärt der grillende Metzgermeister. Das sei ein Qualitätsmerkmal. „Das Brät soll aufgehen und der Darm schrumpft ein. Und trocken muss die Wurst sein. Es soll kein Fett obendrauf schwimmen. Das zeugt von einer guten Bindung.“
An dieser Stelle sei Euch etwas verraten. Zu Bratwürsten habe ich eigentlich ein eher neutrales Verhältnis. Ich mag sie. Weil sie zum Sommer gehören. Aber so heilig, wie einigen von uns Hofern sind sie mir bei weitem nicht. Deshalb bin ich richtig gespannt, ob ich überhaupt etwas zum Ergebnis sagen kann. Wenn man keine Ahnung hat, sollte man sich schließlich auch lieber mit der Meinung zurück halten. Doch als ich in meine feine Wurst beiße, weiß ich sofort, was ich daran am meisten liebe: die hauchdünne aber unfassbar knusprige Haut. Wow! Ich wusste nicht, dass etwas so zart und zugleich dermaßen kross sein kann. Verdammt gut!
Doch nicht nur ich, sondern auch alle Anderen genießen den herzhaften Klassiker begeistert. Es geht eine Schwärmerei über grobe Bratwürste los. Der beste Senf wird diskutiert (Siebenstern aus Oberkotzau gewinnt). Brauer Thomas überlegt, welches Bier perfekt zu den Würsten passt. Die Kerzen am Tisch brennen, das Besteck klappert, es wird gelacht, geschwärmt und genossen.
Norbert Heimbeck bedankt sich im Namen der Gäste bei Rüdiger und ist sichtlich glücklich über sein Aufgabengebiet. Es gibt Applaus von ebenso glücklichen Teilnehmern. Rüdiger lobt in seinen Dankesworten unsere Region und die Vielfalt der Nahrungsmittel, die wir genießen dürfen. „Wir sollten unsere Möglichkeiten zur ganzheitlichen Ernährung bei uns zu schätzen wissen“, schließt er. Und wisst Ihr was? Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen!
Grillsevents, Strohschweintouren oder Stockfischzubereitung – Ihr interessiert Euch auch für die vielzähligen Seminare bei der Landmetzgerei Strobel? Dann folgt diesem Link hier.